Guten Tag,
in diesem Artikel gibt es einen Prosatext aus dem Jahr 2011. Hier steht, wie es mit der großen Liebe zu Ende ging, bevor sie erlebt werden durfte. Im Artikel darunter, ich höre deine Stimme, ist zu lesen, wie hoffnungsvoll es zuerst anfing.
Liebe Grüße
Paula
Mein Herz beim Wort genommen
Lieber Herzensmann,
als ich endlich ganz fühlte und begriff, dass mir alles, was von dir kommt, zu Herzen geht, und dass ich dich liebe, konnte ich mir kein Herzfassen. Denn wer fasst schon ungestraft in eine offene Wunde. Und es gab damals so viel, was das Herz aufrieb. – Ein Herz fassen? – Wie viele Herzen kann oder muss man sich zu Lebzeiten fassen, um lieben und glücklich sein zu dürfen? – Sind es sieben als die sieben Schritte, die in den siebten Himmel führen? Oder müssen es so viele sein wie die Katze angeblich Leben hat, also neun? Es ist ein gnadenloses Gesetz sich immer wieder ein Herz fassen zu müssen, obwohl man doch nur das eine Herz hat. Und manche erobern die Herzen anderer Menschen im Sturm, ohne sich ein Herz fassen zu müssen. Ich habe dir schon vor Jahren mein Herz geschenkt. Du hast dein Herz ganz einfach und schnell an eine andere verloren, dein Herz auf sie gesetzt. Natürlich ging es für dich einfach und schnell. Schließlich trage ich mein Herz niemals auf der Zunge. Da ist es für alle oder doch für fast alle ein Leichtes offenherzig zu wirken. Und auf die Wirkung kommt es an. Es gibt viele Arten des Herzversagens. Und sich bei Zeiten nicht ein Herz fassen zu können, ist nur eine Variante. Der einzige Trost besteht darin, dass man niemals an allen Varianten des Herzversagens leiden kann. Und das gilt, gleichgültig, wie lange man lebt. Und noch auf eine andere Art versagt mein Herz. Ich kann es mir nicht herausreißen, um dafür zu sorgen, dass du mir nicht mehr am Herzen liegst, und es mir dann wieder einsetzen. Sich jemandem aus dem Kopf zu schlagen ist dagegen eine recht einfache Sache. Es gibt so viele Sätze, die so tun als seien sie ein Trost. Aber sie sind nichts als Allgemeinplätze und Vertröstungen. Dazu gehört die angebliche Erkenntnis, dass noch niemand offiziell an einem gebrochenen Herzen gestorben ist. Schließlich gibt es wohl einen Unterschied zwischen leben und existieren. Und bitte verschone mich mit dem Satz aus dem kleinen Prinzen: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Ich bin inzwischen von ganzem Herzen davon überzeugt, dass man als Mensch schon viel Herzlichkeit gewonnen hat, wenn man nicht aufhört, sein Herz zu spüren, auf den Ruf seines Herzens so genau als möglich zu hören und diesem Ruf so gut man es vermag zu folgen. Was gibt es da noch zu sehen? Aber, was man nicht mehr hat, tut einem auch nicht mehr weh. Daher wünsche ich mir seit dem, ich vergebens mein Herz auf dich gesetzt habe, dass ich mein Herz irgendwie los werden kann, damit ich mein Herz nicht mehr spüren muss, damit ich nicht mehr versuchen muss seinem Klageruf zu folgen. Das wäre der einzige Vorteil davon, herzlos zu sein. Mir tut das Herz so weh, dass ich oft nicht mehr spüren kann, ob mir überhaupt noch ein bisschen Gut- und Großherzigkeit geblieben ist. Aber ich bin noch nicht kaltherzig geworden. Mein Herz schlägt noch zuverlässig. Und das gilt vor allem für dich. Denn dein ist mein ganzes Herz, auch wenn ich dein Herz nicht bei meinem haben darf.
Ganz herzliche Grüße
Paula
© Paula Grimm, Oktober 2011