Guten Tag Ihr Lieben,
hier kommt wieder ein kurzer Gedankengang. – Und wehe, wenn sie ein paar Minuten Zeit hat, denn ihr fällt immer noch irgendetwas ein!
Liebe Grüße
Christiane (Texthase Online) und Paula Grimm
Neugier gegen Wissensdurst
“Die Neugier ist der Katze Tot!” Das sagte meine Großmutter immer in ihrem Oberkasseler Singsang, wenn sie keine Lust hatte, auf meine Kinderfragen zu antworten. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass diese Reaktion Seltenheitswert hatte. Denn ich höre immer noch den ungehaltenen Ton. Und diese Reaktion fällt mir jedes Mal sofort ein, wenn ich, was häufiger vorkommt, über die Frage nachdenke, wie viel und welche Art der Neugier oder zumindest des Interesses angebracht ist. Wie man sein Interesse an seinen Mitmenschen lebt, ist in einer Zeit, in der wir immer schneller immer mehr über andere Menschen wissen können ein sehr wichtiger Punkt. Und das gilt in besonderer Weise für Menschen, die mit Menschen arbeiten, die über sie forschen, schreiben, Filme drehen etc. Und Gott sei Dank fällt mir inzwischen auch meistens das ein, was meine Mutter sagte, als ich ihr von dieser Reaktion erzählt hatte.
“Du bist nicht neugierig. Du hast Wissensdurst!”
Was, wenn man nicht genau nachdenkt und nicht genau nachfühlt, wie eine Ausflucht klingt, ist mir inzwischen zu einem guten Hilfsmittel geworden, das mich im Umgang und der Gestaltung meines Interesses und meines Wissensdursts unterstützt. Was die arme Katze betrifft, die von meiner Großmutter und sicher auch von anderen Leuten als schlechtes Beispiel missbraucht wurde und wird, so stimmt es natürlich, dass ihr viele Gefahren drohen, sobald sie neugierig ihre Umgebung durchstreift. Schließlich gibt es Vieles in ihrem Revier, das größer, schneller und gefährlicher ist als sie. Und sie muss sich mächtig anstrengen, um aufmerksam und flexibel genug zu sein, um alles, was sie erlebt und an Neuigkeiten erfährt, angemessen zu verarbeiten und darauf entsprechend zu reagieren. Aber ohne ihr Interesse an dem, was in ihrer Umgebung ist, müsste sie auch sterben. Sie könnte die Kunst des Jagens und die Abwägung von Gefahren nicht lernen. Dass die Katze ohne Neugier auch sterben müsste, veranlasst viele Menschen sicher dazu das Thema Neugier gegen Wissensdurst abzuhaken und sich mit der Aussage zu begnügen, dass Neugier einfach zum menschlichen Verhaltensrepertoire gehört. Und doch geht es um Maß, Art und Ziel. Natürlich möchte man auch seinen Wissensdurst stillen. Und manche bekommen auch, wenn sie trinken, den Hals nicht voll. Und doch hat es viel für sich bei diesem Bild zu bleiben und den Wissensdurst der Neugier, die jeden Wissensbrocken aufschnappt und herunterschlingt, man nie genug bekommt, sich vollstopft gegenüber zu stellen. Ich möchte immer noch viele verschiedene Dinge über die Menschen wissen, die mir begegnen. Aber ich kann und muss nicht alles wissen und schon gar nicht sofort. Ich gebe zu, dass es schwer ist, das richtige Maß und die passende Art zu finden. Das liegt aber sicherlich auch daran, dass die Neugier in ihrer ungezügelten Form in unserer Zeit überall gewollt ist. Aber die Erfahrung, dass ich mein Interesse mit Geduld und ohne Perfektionswahn so vielseitig befriedigen kann und mehr bekomme als früher, ist eine großartige Erfahrung.