Guten Tag Ihr Lieben,
hier gebe ich Euch und mir den ersten von 50 Denkzetteln, wie ich es vor einer Woche geschrieben habe. Mir kommt es so vor, als ob ich den richtigen Ton zwischen Gedanken und Erleben noch nicht gefunden habe. Aber vielleicht ist doch etwas dabei, was Euch zum Denken inspiriert und so!
Liebe Grüße
Christiane (Paula Grimm bei Texthase Online)
01. Hurra, wir leben noch
Der Titel des Artikels und des gleichnamigen Liedes klingt überschwänglich. Und wer mich schon ein Bisschen kennt, wird sich fragen, was diese Überschwänglichkeit, die eigentlich gar nicht meine Art ist, plötzlich soll. Denn es ist wahr, ich strotze überhaupt nicht vor Euphorie. Und dennoch kommt die Freude darüber, dass ich noch lebe, aus tiefstem Herzen und entspricht meiner ebenfalls tiefverwurzelten Überzeugung, dass es keineswegs selbstverständlich ist, dass ich lebe und am 24. Dezember bereits den 50. Jahresring vollende. Diese Jahreszahl bedeutet für mich mindestens 50 gute Gründe zu haben, inne zu halten, um die Aspekte meines Lebens zu sortieren und zu zeigen, wo und wie ich im Leben stehe, wohin es für mich noch gehen kann.
Die altersstatistiken geben mir nicht unbedingt recht. Denn Frauen werden heutzutage statistisch gesehen etwa 80 Jahre alt. Kommen mir Gedanken über Leben und Tot deshalb 30 Jahre zu früh? Dass ich lebe, ist ein Wunder. Das meine ich so eindeutig, wie ich es hier schreibe. Selbst auf die Gefahr hin, dass manche Leserinnen und Leser das für eine Übertreibung halten. Denn ich habe mehr als einen „Strahlenangriff“ in der Frühschwangerschaft überlebt. Alpha-, Betha- und Gammastrahlen sind vor allem für ungeborene Kinder lebensgefährlich. Strahlungen können in das Erbgut des Menschen eingreifen und damit nicht nur Schäden bei den Nachkommen verursachen. Sie bergen ein erhöhtes Krebsrisiko. Und es ist nicht übertrieben, dass ich mit diesem Thema auf besondere Art lebenslänglich habe. Und das Thema Krebs ist für mich auch in anderer Hinsicht ein dominantes Thema, da ich diejenigen Menschen aus meinem Umfeld, die an einer Krebserkrankung verstorben sind, nicht mehr an den Fingern meiner Hände abzählen kann. ihnen und anderen, die bereits verstorben sind, ist ein eigener Denkzettel gewidmet.
„Was mussten wir nicht alles überstehen?“ Das wird im Lied mehrfach gefragt. Und eine der zahlreichen Antworten ist, dass wir überstanden haben, wie Menschen von uns gegangen sind. Und einige hatten einen schweren letzten Weg. Warum nutze ich aber das Wort wir aus dem Songtext überhaupt? Noch sind Menschen da, die viele Aspekte meines Lebens teilen, wofür ich mehr als einfach nur dankbar bin. Ich darf mit meinen drei Geschwistern zusammen leben. Wir haben gemeinsam viel überstanden, Die Todesfälle unserer Eltern im Jahr 2010 und 2014 gehören dazu. Mir begegnen nach wie vor oft freundliche und zugewandte Menschen, was nicht selbstverständlich ist. Darunter sind sicherlich viele, die im Leben bereits viel überstanden haben. Und mir sind einige gute und treue Freunde geblieben, die mir viel Freude bereiten und mir Mut machen und mir helfen leben und auch verlieren zu lernen. Denn viele Menschen verliert man nicht durch den Tot, sondern im Leben. Auch diese Trennungen muss man überstehen lernen. Man muss lernen sich zu Irrtümern zu bekennen und sich nicht alles gefallen zu lassen. Viele Illusionen wurden zerstört. Und damit sind nicht nur politische Aspekte gemeint. Aber jetzt möchte ich näher auf das genannte Lied beziehen und mich einfach vom Text zu einigen kurzen Gedanken inspirieren lassen. Zu alledem gibt es natürlich noch viel mehr zu schreiben.
Es ist bestimmt schon 30 Jahre her, dass ich dieses Lied kennen und lieben gelernt habe. Und ich höre gerade dieses Lied in der Interpretation von Milka nach wie vor immer wider gern. Manche werden das Stück als Mutmachlied für Erwachsene verschmähen. Ich gebe zu, dass ich gar nicht so selten Texte brauche, die mir Mut machen. Und besonders gern lasse ich mich von gestandenen Frauen wie Milva ermutigen.
Inzwischen gibt es dieses Lied auf unterschiedlichen CDs der italienischen Schauspielerin. In meiner CDSammlung habe ich das Album Gesichter einer Frau, das ich vor mehr als 30 Jahren als LP gekauft hatte und später als silbernes Scheibchen geschenkt bekommen habe. In einer Liveversion könnt Ihr das Lied unter
http://www.myvideo.de/musik/milva/hurra-wir-leben-noch-video-m-7718843 kostenfrei hören.
HURRA, WIR LEBEN NOCH SONGTEXT
„Wie stark ist der Mensch? Wie stark?
Wie viel Ängste wie viel Druck kann er ertragen?
Ist er überhaupt so stark wie er oft glaubt?
Wer kann das sagen?“
Es ist gut, sich diese Fragen häufiger zu stellen. Und das gilt vor allem, weil es keine abschließenden einfachen Antworten darauf gibt. Mich erinnert die Tatsache, das kein Mensch, den ich je kennen gelernt habe, immer gleich stark ist, was ich als eine Mahnung verstehe. Wir können so viele Schlachten des Lebens überstehen, eine wird die Letzte sein. Und keiner von uns wirklich genau, welche die letzte große Aufgabe sein wird. Wir wissen von uns selbst oft nicht, wie stark oder schwach wir sind. Und wir können es erst recht nicht von unseren Mitmenschen wissen. Als Kind und Jugendliche ist es mir zumindest manchmal gelungen stark zu erscheinen und andere Menschen wie Schwächlinge dastehen zu lassen. Diese Energieverschwendung habe ich wenigstens stark einschränken können. Geblieben ist, dass ich keine Angst und Schwäche zeigen will. In den Jahren 1988 bis 1990 bin ich im wahrsten Sinne des Wortes lebensmüde gewesen, sodass ich nie geglaubt hätte das zu überstehen. Auch über Lebens- und Schaffenskrisen werde ich Euch und mir einen eigenen Denkzettel verpassen. Mich hat jemand bei der Hand genommen. Und ich weiß, dass stimmt: „Ich kann dich an die Hand nehmen, aber laufen musst du selbst!“ Ich bin froh darüber, dass mir in meinem Leben häufiger Menschen die Hand gereicht haben, um mir aufzuhelfen und mich zu stützen. Aber ich werde mich nie daran gewöhnen, dass man Menschen oft nicht die Kraft geben kann, die sie brauchen, dass man geliebten Menschen nicht alle Ängste nehmen kann. Es gilt leider nur bedingt, dass das, was uns nicht tötet, hart mach. Es bleiben Narben, die teilweise auch offensichtlich sind.
„Hurra! Wir leben noch!
Was mussten wir nicht alles überstehn?
Und leben noch!
Was ließen wir nicht über uns ergehen?
Der blaue Fleck auf unsrer Seele geht schon wieder weg
Wir leben noch
Hurra! Wir leben noch!
Nach jeder Ebbe kommt doch eine Flut
Wir leben noch
Gibt uns denn dies Gefühl nicht neuen Mut und Zuversicht
so selbstverständlich ist das nicht
wir leben noch“
In einer Sache widerspreche ich. Denn ich habe nicht nur erlebt, dass ich blaue Flecke auf der Seele zugezogen habe, die nach einiger Zeit weggehen. Das Bild gefällt mir zwar recht gut. Aber es gibt auch richtig dicke Narben, die wahrscheinlich auf jeder Menschenseele hinterlassen werden. Und Narben sind kein gesundes Gewebe mehr. Sie verursachen immer wieder Schmerzen und die stelle bleibt empfindlich und leicht angreifbar.
Dass uns nach schwerer Zeit immer wieder neue Kraft, Freundlichkeit und vieles mehr zufließt, macht wirklich Mut und Zuversicht. Ich geselle dem Mut und der Zuversicht in Gedanken eines meiner Lieblingsworte zu, Hoffnung, obwohl die Hoffnung bestimmt in der Meinung vieler Menschen der Zuversicht zum Verwechseln ähnlich sieht. Und da ich mein Leben, wie es im Refrain des Textes heißt, keineswegs als eine Selbstverständlichkeit begreife, werde ich einen Denkzettel darüber schreiben, warum nichts selbstverständlich ist.
„Wie stark ist der Mensch? Wie stark?
In der Not hilft weder Zorn noch lammentieren.
Wer aus lauter Wut verzagt und nichts mehr tut,
der wird verlieren.
„
Als Kind war ich ein richtiger Jammerlappen. Und ich habe erschreckend viel Stärke eingebüßt durch Jammerei. Da ist es kein Trost, seltener jähzornig gewesen zu sein und nicht zu Wutausbrüchen zu neigen. Leidensfähigkeit und Zorn sind wichtig. Wie gefährlich es ist, Leid zu unterdrücken ist gefährlich. Beides frisst einen auf. Die Bibel kennt den gerechten Zorn, z. B. im Brief an die Epheser Kapitel 4: „26Lasst euch durch den Zorn nicht zur Sünde hinreißen! Die Sonne soll über eurem Zorn nicht untergehen. 27Gebt dem Teufel keinen Raum!“ Heutzutage kann man das wohl so zusammenfassen: „Ordentlich Luft holen, sich sammeln und dann aber unverzüglich sagen, was Sache ist.“ Und für das Leid, das eigene und das Fremde gilt es ähnlich. „Innehalten, sich sammeln und was tun mit Taten und guten Worten.“ Da könnte man ja gleich wieder anfangen zu jammern, da man mit diesen Lektionen lebenslänglich zu tun hat. Da wird uns verdammt viel zugemutet, um zu lernen, was uns in der Not hilft. Wir wissen intuitiv, dass das richtig für uns ist, dass es uns hilft. Also kann man auch sagen, uns wird, ob wir religiös sind oder nicht, eine lebenslange Entwicklung zugetraut. Trauen wir uns das aber auch wirklich selbst zu? Ich habe immer noch Probleme damit
„Hurra! Wir leben noch!
Was mussten wir nicht alles überstehn
und leben noch
Was ließen wir nicht über uns ergehn
Ach einerlei, der Kelch ging noch einmal an uns vorbei
Wir leben noch“
Auch das Bild mit dem Kelch, das sich ebenfalls auf die Bibel beziehen lässt, gefällt mir sehr gut. Und ich muss spontan an etwas denken, was ein befreundeter Pfarrer oft gesagt hat: „Wir kommen alle an die Reihe aber drängeln gilt nicht!“ Und weil ich weiß, dass es für alles ein letztes Mal gibt, genieße ich inzwischen, ohne Nahrung, Luft und Wasser, die ich zum Leben brauche selbstverständlich zu nehmen oder wie früher als Pflicht zu empfinden. „Man muss essen und vor allem, was auf den Tisch kommt!“ 😉
„Hurra! Wir leben noch!
Nach jeder Ebbe kommt doch eine Flut
Wir leben noch
Gibt uns denn dies Gefühl nicht neuen Mut und Zuversicht
So selbstverständlich ist das nicht
Wir leben noch
Hurra! Wir leben noch nach all dem Dunkel
Sehen wir wieder Licht
Wir leben noch
Der Satz bekam ein anderes Gewicht
So schlimm es ist
Es hilft, wenn man das nie vergisst
Wir leben noch
Wir leben.“
Ein anderes Gewicht bekommt der Satz Hurra, wir leben noch, da immer mehr liebe Menschen von einem gehen, die Narben auf der Seele immer mehr werden, was empfindlicher macht und schwächt, die Kraft allmählich nachlässt. Mir macht es übrigens gar nichts aus, dass im Liedtext visuelle Phänomene bemüht werden, um zu zeigen, wie gut es ist, dass wir Angst, Wut, Verzweiflung, Schmerz etc. überstehen. Denn so wie Dunkelheit überstanden wird, haben wir auch Eiseskälte über standen. Und so wie man Licht sieht, spüren wir doch auch viel Wärme. Fühlt Euch an die Hand genommen und gewärmt, wo und wann es geht und genießt, was sich Euch bietet! Hurra, wir leben noch! Ich freue mich, dass Ihr da seid!
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